Als die Amerikaner am 1. November 1952 die erste Wasserstoffbombe als Test zündeten, war das zum damaligen Zeitpunkt die heftigste je dagewesene Explosion. Ivy Mike detonierte so, als ob 10,4 Megatonnen TNT in die Luft gejagt worden wären, das 750-fache der Hiroshima-Bombe. Neun Jahre später zerbarst Wanja am Himmel – und erschütterte die Welt.
Eine Insel verschwindet dank einer Wasserstoffbombe
So schöne Namen für so schreckliche Waffen. Ivy Mike und Wanja heißen sonst vielleicht niedliche Hundewelpen oder kleine Kätzchen, könnte man meinen. Dabei sind es Wasserstoffbomben, und noch dazu zwei der größten, die jemals in Tests gesprengt worden sind. Die Wasserstoffbombe ist die Nuklearwaffe mit dem mächtigsten Zerstörungspotenzial.

US-Präsident Harry S. Truman hatte am 31. Januar 1950 den Befehl dazu gegeben, dass die US-Streitkräfte eine extrem gefährliche Bombe entwickeln sollten, als Antwort auf den ersten Atomtest der Sowjets im Jahr zuvor. Wenige Sekunden nach ihrer Explosion bildete sich eine Pilzwolke mit einem Durchmesser von fünf Kilometern. Minuten später erreichte der Pilz eine Breite von 150 Kilometern und eine Höhe von 43 Kilometern.
Die Pazifikinsel Elugelab im Enewetak-Atoll, 4.000 Kilometer östlich der Philippinen, wurde förmlich weggesprengt. Alles, was sich in einem Umkreis von zehn Kilometern Umkreis befand, wurde von der gigantischen Druckwelle weggeblasen.
Neue Elemente für eine neue Wasserstoffbombe
Von 1948 bis 1956 haben die Amerikaner hier 44 Bomben verschiedenen Typs getestet, sodass die Region ist hochradioaktiv verseucht ist. Kein Wunder, schließlich wurden in dem Feuerball von Ivy Mike alle Elemente des Periodensystems erzeugt, die damals bekannt waren – und auch bis dahin unbekannte. Das passiert sonst nur im Inneren von Sternen. Nach der Detonation flogen F-84-Düsenflugzeuge in die Wolke, um Proben einzusammeln und konnten dabei erstmals Einsteinium und Fermium nachweisen.
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Aber warum gibt es überhaupt Wasserstoffbomben? Ganz simpel: die Sprengkraft ist größer, was daran liegt, dass herkömmliche Atombomben detonieren und dabei Atomkerne spalten. Bei Wasserstoffbomben hingegen erfolgt eine Kernschmelze, dabei verschmelzen die Kerne der Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium. Aber wie läuft so eine Explosion ab?
Kernwaffentests und ihre Folgen
Benötigt wird eine Atombombe als Zünder, der durch einen herkömmlichen chemischen Sprengstoff ausgelöst wird. Dabei entsteht Röntgenstrahlung, die so heiß ist, dass sie das Thermoplast Polystyrol aufheizt und in Plasma umwandelt. Durch das Volumen des Plasmas wird die Fusionsmaterie zusammengedrückt, womit die Kernfusion der Wasserstoffisotope beginnt. Dabei wird so viel Energie frei, dass die Bombe explodiert.
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Kernwaffentests gibt es, seit es Kernwaffen gibt, also seit dem Sommer 1945. Meist werden sie auf unbewohnten Atollen im Pazifik durchgeführt. Aber auch in besiedelten Gegenden haben früher Tests stattgefunden, eigentlich undenkbar. So hat Frankreich 1960/61 in Algerien getestet, etwa 30.000 Menschen litten lange an den Folgen der nuklearen Strahlung. China, Großbritannien und Russland haben früher ebenfalls in bewohnten Gegenden getestet. Und die Wucht der Zerstörung war bei all diesen Tests nicht eben gering – wenn auch kein Vergleich zu Ivy Mike. Und Ivy Mike war kein Vergleich zu Wanja.
4000 Mal so stark wie die Hiroshima-Bombe
Wanja, mit technischem Namen AN602, war eine von den Sowjets entwickelte Wasserstoffbombe, die am 30. Oktober 1962 auf der Nordpolarmeer-Insel Nowaja Semlja gezündet wurde – der heftigste Kernwaffentest der Geschichte.
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Entwickelt wurde Wanja von Andrei Sacharow, einem extrem begabten Physiker, der seine Meinung über Kernwaffen 1955 jedoch völlig ins Gegenteil verkehrte. Damals hatte es bei einem Kernwaffentest den ersten Toten gegeben. Sacharow wandte sich gegen die Sowjetunion und wurde zum Dissidenten. Wanja wurde dagegen zum Balsam für die militärische Seele der Sowjets. Bald lautete ihr Spitzname „Zar-Bombe“ und die Wucht ihrer Explosion war unvorstellbar.

Die Stärke der Explosion war gigantisch, unvorstellbar. 57 Megatonnen wurden gemessen. Das ist das 4.000-fache der Atombombe, die am 6. August 1945 auf Hiroshima abgeworfen wurde. Eine Bombe mit dieser Sprengkraft, die aus TNT besteht, müsste einen Durchmesser von 400 Metern haben.
Drei Mal um die Erde
Wanja wurde in vier Kilometern Höhe gezündet und der Feuerball war so enorm, dass er bis zur Erde hinunter reichte. Der Atompilz schoss rasend schnell in 64 Kilometer Höhe, Stabilität erreichte er zwischen 40 und 50 Kilometern. Die Druckwelle, die auf die Detonation der Wasserstoffbombe folgte, umrundete die Erde drei Mal – auch wenn die dritte Runde nur noch von hochsensiblen Barographen nachgewiesen werden konnte. Und trotz der Explosion in vier Kilometern Höhe wurden seismische Wellen im Erdboden ausgelöst. Einige Primärwellen konnten noch auf der anderen Seite der Erde gemessen werden. Nie löste die Menschheit gewaltigere Geoaktivitäten auf der Erde aus als an jenem 30. Oktober 1962.