Zabibah und der König – Der Liebesroman von Saddam Hussein


Manche Staatsmänner haben neben der Landesführung zuweilen spannende Interessen. US-Präsident Donald Trump ist ein passionierter Golfer, Kanadas Premierminister Justin Trudeau kann beeindruckende Yoga-Positionen einnehmen und Adolf Hitler war ein begeisterter Maler. Der frühere Diktator Saddam Hussein übertrifft das aber noch, denn er schrieb einen Liebesroman, namens Zabibah und der König, der sich im Irak über eine Million Mal verkaufte.

Wann wurde Zabibah und der König veröffentlicht?

Gegen Ende des Jahres 2000 kam es im Irak zu einer Sensation. Der Staatspräsident und Premierminister des Irak, Saddam Hussein, veröffentlichte einen Roman, der von der Liebe zwischen einem mächtigen Herrscher und dem schönen Mädchen Zabibah erzählt. Bis zum Irakkrieg von 2003 avancierte die Geschichte des Diktators zum Bestseller und verkaufte sich über eine Million Mal. Dass Saddam für dieses Werk verantwortlich war, wusste zu diesem Zeitpunkt aber noch niemand, da es anonym veröffentlicht worden war.

Zabibah und der König
Cover des Romans Zabibah und der König von Saddam Hussein, Quelle: Wikipedia/Eloff777

Wer schrieb Zabibah und der König?

Laut Vorwort entstand das Buch als Ergebnis eines Appells des Diktators, die Schriftsteller des Landes mögen Geschichten über das Alltagsleben im Irak verfassen. Aus der Demut vor seinem Herrscher wollte der angeblich anonyme Autor seinen Namen nicht nennen. Tatsächlich war es aber so, dass Saddam Hussein sich im Jahr 2000 mit einigen Autoren und Dramaturgen traf, um sie zu ermutigen, Romane, Geschichten und Theaterstücke über die vermeintlichen Heldentaten während des Kuwait-Kriegs zu produzieren.

Gleichzeitig war aber bekannt, dass auch er selbst Ambitionen hatte, ein Stück zu schreiben, das die junge Generation anspricht. Im Verlauf des Folgejahres wurden in Zeitungen dann erste Gerüchte laut, dass der Präsident womöglich der im Verborgenem gebliebene Autor war.

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Daraufhin und wegen des geringen Preises von 1.500 Irakischen Dinar, umgerechnet weniger als ein Euro, avancierte der Roman rasch zum Bestseller. Zudem versprach der Klappentext, dass die Einnahmen aus dem Verkauf an Organisationen für Bedürftige gespendet werden würde.

Kurze Zeit nach den Gerüchten begann das irakische Fernsehen mit der Vorbereitung einer 20-teiligen Serie von Zabibah und der König, in der die berühmte Schauspielerin Hind Kamil die Rolle der Heldin spielte. Auch das irakische Nationaltheater ließ sich den Stoff nicht entgehen und produzierte ein auf dem Roman basierendes Musical, das als die größte Produktion des Landes aller Zeiten angepriesen wurde.

Interesse der CIA in Verbindung mit früherem Werk geweckt

All dies ließ keinen Zweifel offen: Das Buch wurde entweder von Saddam Hussein geschrieben oder durch ihn inspiriert. Die CIA war definitiv davon überzeugt, dass Saddam die Entstehung des Buches zumindest beaufsichtigte oder sogar selbst die Feder führte, sodass die Amerikaner den Text gründlich analysierten, um Einblicke in Saddams Denkmuster zu gewinnen. Es mag merkwürdig erscheinen, ein literarisches Werk als Schlüssel zur Politik des Irak zu lesen, jedoch hat dies eine Vorgeschichte.

Saddam Hussein 1998

Im Jahr 1979 wurde Saddam Hussein von Ahmad Hasan al-Bakr zum Generalsekretär der Baʿth-Partei ernannt, um kurz darauf das Amt als Staatspräsident und Regierungschef zu übernehmen. Ein Jahr zuvor erschien in Bagdad ein Roman mit dem Titel Die langen Tage, der von Abd al-Amir Mu’alla geschrieben wurde.

Die Geschichte handelt von den Leistungen eines jungen Mannes namens Muhammad bin Hussein as-Saqr, der sich 1959 am Versuch beteiligt, den damaligen Premierminister ‚Abd al-Karim Qasim zu töten. Der gescheiterte Versuch zwingt den Protagonisten zur Flucht nach Ägypten, doch er kehrt einige Jahre später in den Irak zurück, um der Führer des Landes zu werden.

Dies ist offensichtlich die Geschichte von Saddam Hussein selbst, die seine endgültige Machtergreifung prognostizierte. Der auf dem Roman basierende Film sowie die Fernsehserie ließen die literarische Fassade gänzlich fallen und nannten den Helden bei seinem richtigen Namen.

Die Handlung

‚Arabs Weg zur Royalität

Die Geschichte von Zabibah und der König spielt im 7. oder 8. Jahrhundert in Tikrit, wo auch Saddam Hussein geboren wurde. In dieser Zeit erzählt eine weise, alte Frau eine Geschichte, in der sich ähnlich einer Seifenoper Episoden von Liebe, Eifersucht, Verrat und Rache abwechseln.

Ein junges Mitglied des Königshauses namens ‚Arab hat als einziger Sohn der Königin einen rechtmäßigen Anspruch auf den Thron. Aber er hat eine harte Zeit im Palast seines Vaters und wehrt die Verschwörungen seiner vielen eifersüchtigen Halbbrüder ab, die alle in Rang und Adel niedriger stehen als er.

Letztendlich verbannt der Vater ‚Arab aus dem Palast an einen abgelegenen Ort. Später vergiftet jedoch einer der Beamten den Königs während eines Machtkampfes innerhalb des Palastes. Daraufhin kehrt ‚Arab in die Hauptstadt zurück und wird mit der Unterstützung des Volkes und der Armee endlich König.

‚Arab verliebt sich in Zabibah

Irgendwann, nachdem er König geworden war, ist ‚Arab außerhalb seiner Hauptstadt unterwegs und begegnet einer Frau namens Zabibah, die sein Leben völlig verändert. Zabibah ist eine einfache junge Frau, die ein armes Leben in einer kleinen Hütte am Fuße des Palastes eines gierigen und bösartigen Emir namens Hezkel führt. Sie selbst ist mit einem abscheulichen Verbündeten von Hezkel verheiratet – eine Ehe, die ihr von ihrem verarmten Vater aufgezwungen wurde.

Von dem Moment an, in dem ‚Arab auf Zabibah trifft, ist er von ihrer Einfachheit, Schönheit und Weisheit angezogen. Er beginnt, ihre Hütte zu besuchen und lädt sie später in seinen Palast ein. Die beiden verfallen in platonische Liebe und haben lange Gespräche über Leben und Tod, Natur und Gott und die Verwaltung des Königreichs. Dabei stellt sich heraus, dass Zabibah noch weiser als der König ist.

Zabibah stirbt für den König

Eines Nachts wird Zabibah von ihrem eigenen Ehemann, der niemals namentlich genannt wird, angegriffen und vergewaltigt. Die Vergewaltigung ist Teil einer umfassenderen Verschwörung, an der Hezkel und andere Mitglieder seiner Gefolgschaft beteiligt sind. Zabibah, die das Ausmaß der Verschwörung erkennt, eilt zum Palast, um den König vor einem bevorstehenden Aufstand zu warnen.

Der König wiederum schwört, sich zu rächen und Zabibahs Ehre zu retten. Während der König seine Armee mobilisiert, macht sich Zabibah auf den Weg, um das Volk gegen die Verschwörer anzuführen. Es folgt eine Schlacht, in der Zabibah bei der Verteidigung des Königs stirbt. Auch ihr böser Ehemann findet an diesem Tag, dem 17. Januar, den Tod.

Karte der den Irak umgebenden Staaten, u.a. Kuwait

Der König und das Volk begraben Zabibah und erklären sie zur „Märtyrerin des Volkes“. An der Seite ihres Grabes beerdigen sie ihren bösen Ehemann, aber bewerfen sein Grab mit Steinen und Müll. Der König befiehlt dann, dass am 17. Januar jedes Jahres Blumen auf Zabibahs Grab platziert werden müssen, während das Grab ihres Mannes gesteinigt werden möge.

Der König verkündet dem Volk auch, dass er kurz vor der Schlacht Zabibah geheiratet hat und ihr versprochen habe, einen Volksrat zu bilden, um die Zukunft der Monarchie zu diskutieren. Gerade die Rechtfertigung der Monarchie wird im Roman immer wieder durch solche Passagen thematisiert.

Bedeutung der Handlung

Zabibah und der König

Eine Möglichkeit, sich dem Roman zu nähern, besteht darin, seine Hauptfiguren zu analysieren. Der König steht natürlich für Saddam Hussein selbst. Das lässt sich leicht an der Lebensgeschichte des Königs und den Parallelen zu der Saddams nachvollziehen. Die Verbannung des ‚Arabs durch seinen Vater erinnert an Saddams grausame Misshandlung durch seinen Stiefvater Hajj Hasan Ibrahim.

Die eifersüchtigen Halbbrüder sind keine anderen als Saddams jüngere Stiefbrüder: Barzan, Watban und Sab’awi, die Saddam seinerzeit immer wieder Steine in den Weg legten. Nachdem Saddam ihnen einen kleinen Anteil an der Macht zugestanden hatte, beseitigte er sie in politischer Hinsicht – einen nach dem anderen.

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Die zweite Hauptfigur ist natürlich Zabibah, die das irakische Volk symbolisiert. Das bedeutet, die Zuneigung ‚Arabs zu ihr, soll tatsächlich die Liebe Saddam Husseins zu seinem Volk ausdrücken. Interessanterweise ist Zabibah aber nicht blind vor Liebe. Ganz im Gegenteil: manchmal kritisiert sie den König und wie er in seinem geschlossenen Palast isoliert vom Volk thront.

Außerdem übt Sie Kritik an der Art und Weise, wie er die Angelegenheiten des Königreichs organisiert und an seinem Glauben. Da im Irak keine Kritik an Saddam erlaubt war, könnte hier eine gewisse Selbstkritik versteckt sein.

Dennoch schiebt Saddam die Schuld für das große Leid des irakischen Volkes, insbesondere seit dem Kuwait-Krieg, natürlich von sich – hin zu Ausländern, Juden sowie anderen Königen und Emiren. Denn es war nicht der König, der Zabibah vergewaltigte.

Und es ist nicht Saddam, der das Volk verletzt. Ganz im Gegenteil: Genau wie der König seine Armee mobilisierte, um die Ehre einer Frau zu verteidigen, schickte Saddam seine Armee, um die Ehre des irakischen Volkes vor Invasion, Versklavung und Kolonialismus zu verteidigen – so die intendierte Interpretation.

Weitere Charaktere

Neben den beiden Hauptfigur sind auch andere Charaktere lediglich ein Symbol, das die Propaganda transportieren soll, so beispielsweise der namenlose, gewalttätige Ehemann, der die USA darstellen soll. Die Vergewaltigung Zabibahs steht in diesem Zusammenhang für den Zweiten Golfkrieg, in dem die USA Kuwait nach der Eroberung durch den Irak von den Invasoren befreiten.

US-amerikanische Jets über brennenden Ölquellen

Neben dem Ehemann gibt es zwei weitere verächtliche Figuren, die im gesamten Roman mit brutalem Verhalten in Verbindung gebracht werden. Dabei handelt es sich um den bösen Emir Hezkel und den Kaufmann Shamil.

Hezkel ist der Gegenspieler von ‚Arab, der mit dem Ehemann Zabibahs verbündet ist. Er repräsentiert Israel, das somit als Feind von Saddam Hussein und als Partner der USA charakterisiert wird. Der Händler Shamil stellt dagegen Juden im Allgemeinen dar, sodass im Roman immer wieder antisemitische Referenzen vorkommen.

Ein weiterer Gegenspieler ‚Arabs ist der Feudalherrscher Nuri Chalabi. Auch hier ist die Bedeutung klar: Der Iraqi National Congress (INC), eine von den USA unterstützte Oppositionsgruppe im Exil, wird von Ahmad Chalabi angeführt.

In dem Roman werden die Feudalherren und die Kaufleute als Blutsauger des Volkes geschmäht und man muss sich nur an die Hinrichtung von 42 Kaufleuten im Jahr 1992 erinnern, um Saddams Feindseligkeit gegenüber dieser Gruppe erahnen zu können.

Fazit: Was ist Zabibah und der König?

Zabibah und der König ist am besten als Saddams als Vorbereitung auf seinen Abschied als Herrscher zu verstehen. Es sollte als Zusammenfassung seines Lebens gelesen werden, als „künstlerischer“ Beitrag zu seinem Volk sowie als letzter Wille und Testament. Höchstwahrscheinlich wurde Saddam durch den Tod anderer langjähriger Herrscher in Jordanien, Syrien, Marokko, Katar und Bahrain dazu bewegt, den Roman zu schreiben.

Abriss einer Statue von Saddam Hussein – genau davor hatte er Angst

Mit dem durch die anhaltenden Sanktionen geschwächten Irak und der leidenden Bevölkerung hinterließ Saddam Hussein ein sehr gemischtes Erbe. Vermutlich hatte Saddam deshalb das Bedürfnis, von seinem eigenen Volk von der Schuld freigesprochen zu werden.

Die Möglichkeit, dass sein Vermächtnis nach seinem Tod nicht geachtet wird, ist eine Angst, die sich durch den gesamten Roman zieht. „Werden die Leute mich hoch auf ihren Schultern tragen, nachdem ich gestorben bin?“, fragt der König Zabibah. Darauf versichert sie ihm „Ja, nach einem langen Leben, Ihre königliche Hoheit, werden sie Sie hoch auf ihren Schultern tragen und Sie in ihren Herzen behalten.“

Saddams Kernbotschaft ist, dass er nicht verantwortlich für die vielen Nöte im Irak ist. Stattdessen tragen andere – Familienmitglieder, Juden, Könige, Emire und Ausländer – die Schuld, die schließlich die wahren Schurken des Romans sind.


FAQ

Was ist Zabibah und der König?

Zabibah und der König ist ein Liebesroman, der Saddam Hussein als Propaganda-Werkzeug diente.

Wer schrieb Zabibah und der König?

Das Buch wurde höchstwahrscheinlich von Saddam Hussein selbst geschrieben oder der Schaffensprozess zumindest von ihm angeleitet und überwacht.

Worum geht es bei Zabibah und der König?

Der Roman handelt von einem König, der sich in eine schöne, kluge Frau Namens Zabibah verliebt. Die Liebe soll dabei die Zuneigung von Saddam Hussein zu seinem Volk symbolisieren.

Rick

Ich bin Anfang 2020 zu Only Fun Facts gekommen. Meine Leidenschaft ist es, einen genaueren Blick auf unsere unglaublichen Fakten zu werfen. Wenn ich einen verblüffenden Fakt lese, ist es nicht unüblich, dass ich eine umwerfende Hintergrundgeschichte dahinter entdecke. Das teile ich gerne mit Euch, und ich hoffe, dass Dir unsere Geschichten gefallen.

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